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28
Oktober
Bildungsreise
Auf der Hinreise strahlt mich eine gutaussehende Studentin, bei jedem Blick, den ich mir aus meiner Zeitung gestatte, derart halogenlampengleich an, dass ein Gespräch Pflicht ist. Ansprechen kann ich ja immer ganz gut, aber Gespräche halten kann ich nur, wenn es wirklich sein muss. Im Fall des verfüherisch strahlenden Mädchens, stellte sich allerdings rasch heraus, dass ich, trotz guter Kleidung und Aussehens nicht der Grund ihrer Strahlkraft war. Vielleicht hätte ich Sie auch nicht Siezen sollen, das ist eine seltsame Gewohnheit aus meinem ersten Seminar, zu der zwar einige Kollegen rieten, von der ich aber nicht weiß, wie ich sie selber finden soll. Der Glanz der Dame verflog jedenfalls schnell, als das Gespräch auch mit großer Mühe meinerseits nicht von Sach- auf Privatthemen zu lenken war. Zum Glück verabschiedete sie sich auf meinen Wunsch nach guter Fahrt mit einem sehr großmütterlichen "Ebenso", was mir ein schnelles Vergessen aller erahnten Möglichkeiten schenkte.
Beim Verlassen unseres Zuges vergessen Sie bitte nicht ihr Handgepäck. Ihr sonstiges Gepäck aber bitte gerne, denke ich bei diesem Hinweis immer.* In Bayreuth wohne ich bei einer Freundin aus Studententagen, die sehr spontan ist. Sie braucht keine fünf Minuten zwischen Bett und Uni und macht mich mit ihrer Zeitplanung unentspannt, etwas, das ich schon lange nicht mehr erlebt habe. Sie zeigt mir Bilder von langen Backpacker-Reisen, die beneidenswert aussehen, schafft es aber dennoch nicht, mir das Gefühl zu vermitteln, etwas verpasst zu haben, obwohl ich mich schon frage, warum dem so ist. Viel eher als Reise-Experimente bringt mich der sorglose Lebensstil hochspontaner Menschen zur Verpassens-Frage. Menschen, die genießen können, denen aber auch Vieles, was ich kaum bemerke sehr unangenehm ist. Die morgens /wirklich/ nicht aus dem Bett kommen, denen schon die Idee, sich zu etwas zwingen zu wollen, fremd ist. Die nach Parties bedauern, sich nicht richtig betrunken haben und infolgedessen Knutschgelegenheiten verpasst zu haben. Bei den meisten Gesprächen mit Ex-Kommilitonen während der Heimkehrfeierlichkeiten meines Studiengangs, gelingt mir keine Begeisterung, aber immerhin ist der Drang erloschen, mich als Hartz4 Empfänger zu geben. Die cool gelangweilte Poserei der gespielten Verachtung ist meine Sache jedenfalls nicht. *Kaum schrieb ich dies, vergaß ich auch schon mein sonstiges Gepäck im Zug.
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