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22
November
Melancholie und Gesellschaft
In meinem kulturellen Gefüge gilt nur Melancholie als richtig deep. Heiterkeit eher als oberflächlich, Witz zumindest verdächtig. Betrübtheit, auch Depression ermöglicht den Anschein von Tiefe, tiefer Verzweiflung, Leiden an der Welt.
Ich will dem Entgegenhalten. Es gibt nichts, was an Heiterkeit oder Witz leichter wäre, oder weniger einsichtsvoll. Ja, eine traurige Grundstimmung erhöht vermutlich die Genauigkeit der Wahrnehmung, die aber oft mit negativen Begleiterscheinungen wie Gedankenschleifen einhergeht und eben nicht zu höheren Erkenntnissen, sondern nur zu noch mehr Trübnis führen. Gute, hilfreiche, tiefe Gedanken benötigen vermutlich sogar stabile, zufriedene Persönlichkeiten als Grundlage. Warum also die Formel Leid ist gleich Tiefe? Eine Idee: Im Leid können sich die Unglücklichen leichter spiegeln und erkannt fühlen. Und vermutlich lesen und schreiben unglückliche Menschen lieber, als dass sie mit anderen Leuten scherzen. Daher zeigen Bücher gerne die Melancholie und weisen sie als Tiefsinn aus, ist Selbstschutz hier der Motor?
Ich rede gegen mein eigenen Intuitionen an:
Ernst ist wichtig und auch überzeugt mich der Satz seit früher Jugend: "Sempre ridere stultorum est." (Immer zu lachen ist der Dummen). Der melancholische Mensch wirkt nachdenklich.
Von Dauerlachen und gegen den Ernst hat aber niemand geredet. Es geht hier um die Wahrscheinlichkeit von geistiger Tiefe und die hängt eben nicht mit Trübsal zusammen, hoffentlich korreliert sie nicht mal damit - ich kenne keine Studien, aber ich muss die Behauptung wagen, solange für das Gegenteil keine Beweise, sondern nur Gefühle vorliegen.