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07
Juli
Which ones? How many?
Bei der Einwanderungsfrage argumentieren manche, Deutschland handle nicht klug, weil es die Frage "Which ones? How many?" nicht stelle oder nicht nach den offensichtlichen Antworten handle. Es kämen zu viele und die falschen. Und so argumentieren kluge Leute wie Andrew Hammel mir bekannt durch seinen lesenswerten Blog "German Joys", nicht nur tumbe Nazis.
Den Unterschied zwischen Asyl (muss unter Umständen auch vielen und ungebildeten Menschen gewährt werden) und steuerbarer Einwanderungen macht Hammel allerdings nicht.
Tatsächlich scheint sich Deutschland in vielen Fragen, die ethische Komponenten haben, mit pragmatischen Antworten schwer zu tun. Wir wollen Menschen nicht funktional betrachten, wir wollen z.B. auch keine klaren Regeln einführen, ab welchem Alter oder Zustand welche Operationen noch von den Krankenkassen bezahlt werden. Es scheint uns menschenwürdiger, das nicht zu tun - selbst wenn sich daraus menschenunwürdige Ergebnisse ableiten. Wir haben eher eine Gesinnungs- als eine Folgenethik, was teilweise zu absurden Folgen führt. Auch Andrew Hammel scheint das so zu sehen.

 
Meiner Meinung nach versucht Hammel lediglich, dem deutschen Begriff des Asyls und dem von ihm diesbezüglich angenommenen Verständnis dieses Begriffs zu folgen.

Andernfalls könnte man durchaus einen Schritt weitergehen und nicht nur die Trennung von Asyl und Einwanderung fordern, sondern zudem die Einheit des Zustands Asyl und des Aufenthaltsortes hinterfragen. (Damit stünde man allerdings noch wesentlich drängender vor Ihrer obenstehenden Frage: Which ones? How many?)
Die Einheit des Zustands Asyl und Aufenthaltsort? Mein Punkt war eigentlich: Eine begrenzte Zahl leicht integrierbarer Einwanderer kann man sich eben nicht rauspicken, wenn man das Asylrecht ernst nimmt.
Was im Moment geschieht, wahllos alle zu behalten, die irgendwie hierherkommen, ist damit natürlich nicht gerechtfertigt.
 
Warum sollte man aus denen, denen man Asyl gewährt, nicht diejenigen "rauspicken" können, denen man die dauerhafte Einwanderung gewährt? Gerade dadurch, daß wir das Asylrecht so ernst nehmen, picken wir doch sowieso. Wir picken uns die raus, die es bis hier schaffen, die also "irgendwie hierherkommen". Sei es durch Körperlichkeit, sei es durch Geld, sei es durch geschicktes Lügen, wie auch immer. Das ist nur indirekt und nicht unsere Schuld, na gut. Aber picken wir nicht auch durch die Bevorzugung von Staatsangehörigkeiten, sodaß diese von den Asylsuchenden vorgetäuscht werden muß? Wenn das eine geht, weil Asyl eben mit dem Aufenthaltsort verknüpft wird, der aus irgendeinem Grund - es fühlt sich an wie willkürliche Spielregeln, in irgendein Gesetz gegossen - aus eigener Kraft erreicht werden muß, wenn also nun das eine geht, warum sollte das andere nicht gehen?
Meiner Meinung nach hat das einen einfachen Grund: Unsere Moral hält der Wirklichkeit nicht stand. Kategorische Imperative sind super, aber alle Hungernden Afrikas sind womöglich sogar mehr, als wir hier ernähren könnten. Also schließen wir draußen die Augen, damit wir das Elend der Vielen nicht mitansehen müssen, und drinnen versuchen wir verzweifelt, alles an den Wenigen wieder gut zu machen. Ich sehe das also ganz ähnlich: Gesinnungs- statt Folgenethik. Was ich außerdem vermute: Weder unsere Ethik noch unser Recht ist auf eine derart globalisierte und industrialisierte Flucht ausgelegt. Und auch nicht darauf, daß Asyl überhaupt mit Einwanderung verknüpft wird, was ganz zweifellos die Richtung und vermutlich auch die Zahl der Menschen beeinflusst.
Was mir an dieser Sache immer noch nicht klar wird: Warum ist die Gesinnungsethik nach außen derart blind? Soll heißen, warum versucht sie nicht, den meisten zu helfen, oder zumindest den Bedürftigsten? Dazu müsste man vielleicht andere Maßnahmen ergreifen? Ich halte das (aber das ist nur meine kleine unausgegorene Meinung) für eine seltsame Form des Nationalismus, der seltsamerweise gerade die befällt, die ihn verabscheuen: Daß Hilfe hier passieren muß, weil sie nur hier gut genug sein kann.
 
Ich möchte gar nicht widersprechen. Eines nur: Die Gesinnungsethik ist nach außen blind, weil sie eben eine Gesinnungsethik ist. Die schaut per definitionem nicht auf die Folgen.
Richard Hare hat so etwas wie eine Kantianische Folgenethik konstruiert, das schien mir sehr überzeugend.
 
 
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Last update: 15. Nov, 09:39
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