Das Natürlichkeitsargument ist nicht totzukriegen. Künstliche Brüste sind unnatürlich, raunen die Massen. Ich sage euch, was unnatürlich ist: Haare abschneiden, Deo verwenden, Synthetikklamotten tragen und aus dem Mund nach künstlichem Minzaroma riechen. Jaja, das wissen wir. Es gibt auch ein Buch dazu, mit folgenden "Pluspunkten": "Autor bekanntester Philosoph für das Thema, Thematik hoch aktuell, hervorragend und einführend geschrieben."

Auch sowas, wo ich nicht recht weiß, ob man in irgendeiner Form von Fortschritt sprechen könnte: Küche. Also Restaurantküche. Ein Schild pries ein Restaurant der 80er an. War da alles noch ohne Bio, mit Geschmacksverstärker und Soßenbinder? Und das ist jetzt wieder retro-toll? Jethro Tull ist auch retro-toll.

Sind die meisten Camper deshalb Camper, weil sie Geld sparen wollen? Warum scheinen dann viele extrem teuere Camping-Gerätschaft zu besitzen und dicke Autos zu fahren? Der Sinn von Camping ist doch vermutlich die Freiheit von den zivilisatorischen Mindeststandards Wohnung, Esstisch und Bett. Es geht auch ohne. Es ist alles etwas komplizierter, aber man hat ja Zeit, man kriegt das hin. Nicht ganz Askese, aber doch Verzicht. Und natürlich Natur und Luft und diese Dinge. Aber doch nicht Fernsehen und Luxuswohnmobil. Unverständlich, alles, immer.

War Berlin eigentlich auch mal edel oder wenigstens ähnlich wie andere Städte? Dieser verranzt, verramschte Dreckslook mit dem Uringestank in der Luft - ist der jetzt arm aber sexy? Man kann das alles mögen, sich aber dennoch wundern. Auch die Cafes. In München, Zürich, Wien sind die alten Institutionen prägend. Hier alles neu und bestenfalls liebevoll verramscht. Grandezza: Fehlanzeige.

Wer hat eigentlich das Grillen erfunden? Auch die Wikipedia schweigt sich hier aus. Ich hätte (immer noch) gerne eine Frühgeschichte der Gastronomie oder eher des Kochens. Weinanbau, Bierbraukunst, Brotbacken - das ist alles so unglaublich clever und schon so unendlich lange bekannt.

Mein naturwissenschaftlich geprägtes und eher nicht von tiefen pädagogischen Überzeugungen durchdrungenes Elternhaus kannte, wie wir alle, die Mär von der Coca Cola, die in einer Nacht ein ganzes Steak zersetze. Im Unterschied zu anderen Elternhäusern wurde diese Mär bei uns überprüft - so sind sie, meine Erzeuger. Das Fleisch war am nächsten Tag nur etwas weicher, aber keinesfalls aufgelöst. Wir durften trotzdem keine Cola trinken.

Älter werden ist nicht doof, weil man kränker oder schwächer wird (das nur ganz am Ende), sondern, weil der Anteil an alten Geschichten notwendigerweise steigt und man sich notwendigerweise öfter wiederholt. Und das ist doof, weil in diesen Zeiten Neues als spannend gilt.

Meine Familie mag zwar etwas außergewöhnlich sein, aber Freaks sind wir nicht, die wir folgenden Brauch seit Jahren (wenn auch ohne das Säckchen) ausüben: "im Vogtland wird ein Osterei in ein aus Wolle gehäkeltes Säckchen mit einem langen Band gesteckt: Das schleudert man und lässt es los. Das Werfen findet auf einer Wiese oder Weide statt. Wiesen mit dichtem Gras sind am besten geeignet. Für das Werfen selbst gibt es verschieden oder auch keine Regeln."

Die seltsame Balance aus Nähe und Distanz beruflicher Beziehungen und ihre Verschiebungen auf Firmenfeiern.

Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen: Gäste abfüllen. Erstaunlich immer, wenn sie sich beschweren, abgefüllt worden zu sein.