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26
Juli
Bilanz
Ich bin unzufrieden mit meinem Schülerseminar. Nein, ich bin eher unzufrieden mit mir. Die Schüler waren begeistert, wurden ob des morgigen Endes gar sentimental. Wollen ein Nachtreffen. Fanden die Inhalte und die Atmosphäre gut. Glauben, etwas gelernt zu haben. Ich finde die Schüler toll. Sind klasse Typen, die in Paketlagern arbeiten, Frauenfußball oder Bassgitarre spielen, Herr der Ringe-Fans sind, Mathe-Nachhilfe geben und Schlagzeugunterricht. Ganz besonders toll, wie sich hier 7 fremde Jugendliche in einem Philosophie-Seminar kennengelernt haben. Mit welcher Wärme und Selbstverständlichkeit sie sich jetzt beim Vornamen nennen und überhaupt, wie sie miteinander reden. (Meine Uni-Studenten sieze ich und weiß nach dem ersten Seminar nicht, ob das jetzt gut oder schlecht war.)
Doch leider hätte ich das Schüler-Seminar selber nicht toll gefunden und könnte niemand so beim Namen nennen, wäre ich zehn Jahre jünger und Teilnehmer anstatt Dozent gewesen. Als Dozent hätte ich gerne den thoughen Bastard gespielt gehabt, der dem Laberphilosophen, der über Liebe reden wollte, zeigt, was eine analytische Harke ist. Doch so kann man kein Seminar aufbauen. Ich muss das ja irgendwie mittragen und kann auch begeisterte Schüler, die eine Woche ihrer Ferien opfern und sogar Geld für das Seminar bezahlen, nicht vergraulen. Und so völlig falsch finde ich es eben auch nicht, wenn sich tolle Leute treffen und jeder seine Meinung zu der Liebe sagt. Deshalb war ich nett. Und verständnisvoll. Doch deshalb haben die Schüler nichts kapiert. Nun gut, es gab einzelne Momente des Glücks, in denen ich das Gefühl hatte, irgendein zentraler Unterschied wäre verstanden worden. Argumente hätten ihre Kraft entfaltet. Bei der Planung der Abschluss-Präsentation merke ich aber, dass dem wohl nicht so war, weil leider Sätze fallen, wie "aktive und passive Sterbehilfe ist das gleiche" und auch leider kaum ein guter Satz. Kurz: Es wurde gelabert was das Zeug hält. Es wird mir immer klarer: Argumente ziehen nicht. Auch bei schlauen Menschen. Außerdem denken die Schüler immer noch, gegen Kommerz und Sexismus zu sein, wäre eine kritische Haltung. Aber da hege ich, wie gesagt, keinen Groll. Solch phrasische Einigkeit ist bei Schülern in Ordnung, wenn sie irgendwann lernen, dass die Welt komplexer ist.
Nachtrag
Es gibt nicht nur immer noch erstaunliche Friseurnamen, man kann sogar immer noch über sie schreiben. Heute bei Harald Martenstein.
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