letzte Kommentare: / "Um Besitz kümmert... damals / Mit einem freien... klagefall / Frau Fabry gefällt... c. fabry


23
September
Verpassen, die dritte.
Am Montag fanden wir das Konzert nicht . Kein Wunder, es war ja auch am Mittwoch. Gestern standen wir deshalb wieder vor der selben Kirche, diesmal waren noch mehr Penner davor als am Montag und wieder war uns der Eintritt nicht moeglich. Als wir gerade auf der Suche nach einem Alternativprogramm den vermaledeiten Ort verlassen wollten, kamen 3 Nicht-Penner aus der Kirche. Einer davon war Dirigent des britischen Parlamentarier-Chors und so freundlich, dass er uns in seinem edlen Wagen gleich zur richtigen Kirche fuhr, die auch St. Johns hiess, aber von wesentlich weniger Zerlumpten umlagert war und auch Musik in ihrem Inneren barg. Ein herrlicher Abend folgte.

 
 
22
September
Dumm wie Brot.
Irgendwann musste es raus. Das englische Brot nervt wirklich. Von aussen sieht es ganz normal aus, will man es aber in Scheiben schneiden zerfaellt es zu Pulver. Will man es toasten verbrennt es. Will man etwas darauf schmieren entsteht eine breiige Mischung aus Brot und Belag. Das Brot nervt.
Der ewige Toast nicht, der langweilt nur, aber das ist bei Essen ja egal. Wenn ich mich noch ein bisschen anstrenge, habe ich vielleicht wirklich mal Ansichten, die meinem Anspruch an Originalitaet genuegen.

 
 
21
September
Doppeltes Verpassen
Ein Bruder und London bringen Erlebnisse. Ein kurzer Bericht des gestrigen Abends: Es stand mal wieder ein Konzertbesuch an, doch diesmal war uns der Hochkulturgenuss nicht moeglich. Es war einfach keine Musik drin, in der Kirche.
Was lag ferner, als sich auf die Suche nach britischer Comedy zu begeben? Nichts und so taten wir’s prompt. Das Time Out Magazin fuehrte uns zu einem „Comedy Pit“ im Belushi’s. Nach einem fuenfminuetigem Kampf durch Fussballrowdies erreichten wir eine Treppe. Ein Klischee von Tuersteher wollte uns am weitergehen hindern: „No comedy, there’s a private party!“ Doch ein Kellner wusste es besser und hiess den Muskelberg an uns durchzulassen.
Im Buehnenraum trafen wir vier Leute, die sofort mit uns ins Gespraech kamen. „Hi guys, have a seat, looking for the comedy-show, eh?“ „Yes, it is.“ (Im Englischen gibt’s nie nur „Yes“ or „No“ immer nur „Yes, it is“, oder „No, it isn’t“ brachte mir mein alter Englischlehrer bei)
„Ah, you’re from Germany aren’t you?“ Und dann ging die Comedy los und zwar privat und exclusiv fuer uns. Den vier Comedians waren wir zwei als Publikum verstaendlicherweise nicht genug, so wurden wir einfach in’s Privatgespraech eingebunden und bekamen einiges zu hoeren ueber god’s own country, die Deutschen und ihr krampfhaftes Lachen in Comedyshows (Now it’s time to eat, so we eat! And now it’s time to laugh, so we laugh!) und Philosophie. Die ziemlich verzweifelten, hochgebildeten (Welcher Amerikaner kann schon 10 deutsche Staedte nennen und weiss auch noch wo sie liegen?) Herren waren ein Hauptspass und garantiert besser als ihre Show.

P.S.: There are three types of English girls: Sluts, whores and cunts. The sluts just want to fuck, the whores want to have money for being fucked and the cunts just want the money, so kuerzliche Verlassene unter den Verzweifelten.

 
 
20
September
Denglisch auf dem Rueckzug
Coccinella aergert sich zu Recht ueber "Saltlets". Ich glaube aber neulich wieder eine Packung mit der deutschen Bezeichnung gesehen zu haben. In London fiel mir auch die gute, alte Caprisonne aus den Achtzigern auf:
Caprisonne
Heisst die jetzt nicht offiziell auch Caprisun? Die Firmenwebsites geben es noch nicht zu, aber aus diesen Indizien laesst sich eine baldige Trendumkehr ableiten. Mal sehen ob Apples neue ibooks als "Klapprechner" vermarktet werden. Apple ist doch immer ganz vorne in Stilfragen.

 
 
15
September
Klischees
Mal wieder zwei davon:

- Toaster. Mit dem Noname-Geraet in der neuen WG verbrennt man selbst auf niedrigster Stufe alle Toasts. Aber nur von einer Seite, auf der anderen bleiben sie weich und das obwohl alle Heizdraehte funktionieren. Ist der Toastvorgang beendet springen einem die stinkenden Scheiben ins Gesicht.
Ueber die sonstige Beschaffenheit der WG schweige ich hier lieber.

- Gangsta. Der IT-Manager in meiner Company erfuellt alle Klischees die MTV transportiert: Cool, schick, staendig Sprueche zu den Maedels und jede Nacht bis mindestens drei Uhr im Club. Nebenei ist er aber alt, Student und Vater. Also doch kein Klischee.

 
 
13
September
Woman at a window
Der erste Regen. Hinter einer beschlagenen Scheibe in der U-Bahn das Gesicht eines Engels. Die Tuere oeffnet sich und es erscheint eine strenge Business-Schoenheit. Enttaeuschung.

 
 
09
September
Musisches London
Ich halte Musicals fuer ein ueberkommenes Relikt aus der schon reichlich seltsamen musikalischen Gattung Oper. Die Londoner scheinen Musicals zu lieben. Es gibt jetzt sogar "Chitty Chitty Bang Bang" als Musical. Bald folgen bestimmt die Teletubbies und danach werden Teile des common law als Musical aufgefuehrt.

 
 
08
September
Gewohnheitstier
So schnell geht das also. Am ersten Tag fuehlt man sich erschlagen von der Metropole, dann geniesst man sie und schon hat man sie durchschaut und ist gelangweilt.
Die Menschen draengen sich zwar grimmig in der tube und stampfen hektisch und multikulturell in der Stadt herum, am Abend in einem Club sind sie dann aber so freundlich, einfach und unmysterioes, dass der Metropolenglanz schnell verfliegt. Jede Dorfzicke scheint komplizierter als die Londonerinnen in einem 15 Pfund-Eintritt Club. Wahrscheinlich bin ich aber nur dank coccinella so unglaublich selbstsicher, dass ich vor gar nichts mehr Angst habe.

 
 
06
September
Kulturproleten
Diesen Sonntagabend hatte ich eines der seltsamsten und schönsten Erlebnisse meines Lebens. Jawohl, das Pathos ist angebracht. Diesen Sonntagabend gingen mein Bruder und ich zu einem BBC Prom Konzert in der Royal Albert Hall. Es gab die Schönberg Variationen und Beethovens Neunte. Zu so einem Anlass zieht man gerne mal ein Hemd und ein Jackett an. Auf der Suche nach der Halle trafen wir zwei Blocks früher auf eine Menschenschlange. Die Leute saßen oder standen eher verlottert gekleidet und lesend, fressend und schwitzend lose gereiht nebeneinander an den Häusern entlang. Geduldig und anscheinend schon seit Stunden. Wir liefen eine Weile die Schlange hoch und stellten uns zögernd daneben. Der Eingang war 50m vor uns, die Schlange hinter uns erstreckte sich jetzt über mehrere Häuserblocks und war nicht vollständig zu überblicken. Zögernd stellten wir uns neben die Schlange und mit einem ziemlich schlechten Gewissen waren wir ziemlich schnell ein Teil von ihr. Es war kaum zu glauben: Hunderte Engländer warteten seit zwölf Uhr Mittag in einer Schlange auf den Einlass und es gab keinerlei Sanktionsmechanismen wenn man die Regeln brach. Nicht einmal strafende Blicke. Bis zur Kasse fürchtete ich noch geheime Attacken von Engländern, die über unsere teutonische Ungehobeltheit aufgebracht wären. Es passierte aber nichts, gar nichts. Wir konnten zwar nur noch Stehplätze auf dem obersten Balkon ergattern, aber das ging den anderen Wartenden auch so. Die Sitzplätze waren seit langem ausverkauft, die Berliner Philharmoniker sind auch in London begehrt.
Die Royal Albert Hall war bis auf den letzten Platz voll, an die 10.000 Leute waren im Saal. Doch was für Leute! Langhaarige Fetthaar-Informatiker, spielende Kinder, Greise mit Rauschebärten. Manche saßen an die Wand gelehnt, andere lagen am Boden, immer noch wurde gelesen und gefuttert, trotz edler Umgebung.
Doch als das Konzert begann war alles still. Ich kenne mich mit Musik nicht aus, aber niemandem konnte entgehen, dass Sir Simon Rattle und die Philharmoniker das Publikum unter sich hatten. Kein Husten, kein Rascheln an den leisen Stellen. Und beim finalen Chor kamen selbst den Tätowierten die Freudentränen. Ein großes Ideal hatte ALLE ergriffen.

PS: In der Pause suchte ich eine Toilette. Unter der Halle fand ich einen runden Versorgungsgang, der aussah wie die Verließe unter dem Kolloseum. Überall Gerümpel und ein verrosteter Mars-Automat. Die Türen standen offen und so sah ich, dass hier offensichtlich Leute wohnten. Ein Fernseher flimmerte und auf dem Bett saß eine Putzfrau die sich Schokoriegel in den Mund schob. (Schon wieder ein Vergleich: Sie sah aus wie der Maulfwurfmann im Tunnel der Liebe bei Sam&Max. Überhaupt sah das ganze Zimmer so aus.)

 
 
02
September
Liebe Engländer,
bis jetzt habe ich ja eure Kauzigkeit geliebt. Natürlich soll es Feiertage der Bäckerinnung geben, an denen die Frau des Bürgermeisters in traditioneller Kleidung über eine mit Brot belegte Straße gehen muss, um an die ruhmreiche Überwindung der Brotknappheit im Jahre 1453 zu erinnern. Dabei sollen auch alte, unverständliche Lieder gesungen und mehrstündige Reden gehalten werden, die jedes Jahr genau gleich sind, weil es das uralte Protokoll so vorsieht.
Nur, liebe Engländer, zerstört ihr dieses schöne Spiel, indem ihr dauernd auf Eure Absurdität hinweist und gerade darauf besonders stolz seid. Euer Ringen um Absurdität ist nämlich nicht lustig. In der U-Bahn ruft ihr bei einer nicht vorhandenen Spalte zwischen Wagen und Bahnsteig und einer Stufe von 5 cm Höhe drei mal "Mind the Gap!". Draußen werden Absurditäts-Mützen mit eben diesem Ausruf verkauft. Das ist aber nicht absurd, sondern durchschaubar.
Also: Bleibt wie ihr seid, aber bitte nehmt euch wieder ernst, ja?

 
 
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Last update: 25. Apr, 09:20
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