letzte Kommentare: / "weil Design keinen... damals / Da sind wir uns... froschfilm / Ich dagegen glaube,... c. fabry


03
September
Zuggenuss
Es ist immer leichter zu schimpfen als zu loben. Wer schimpft, macht sich unangreifbar, wer lobt, öffnet sich. Schimpfen schafft auch mehr Gemeinsamkeit, ein geteiltes Übel eint die Menschen. Das liebste Objekt unserer Verdrussbezeugungen ist seit Jahrzehnten die Bahn. In den Neunzigerjahren noch, als Reichsbahn und deutsche Bahn fusionierten, die Bahnreform gerade anlief und die ICEs neu waren und Begeisterung auslösten herrschte noch einmal Optimismus. Eisenbahnfans waren zwar schon damals nur noch die alten Herren. Faszinierend waren die Bahnen nicht mehr. Heute gibt es in Bezug au die Bahn nur noch Hass. Es liegen auch in den Bahnhofsbuchhandlungen keine Bücher mehr aus, die sich der Schönheit des Bahnfahrens widmen. Dabei ist die Grunderfahrung der Bahnfahrt bei allem Ärger, der häufig vorkommt, eine sinnlich sanfte und schöne. Angenehm wiegend surrt man durch die Landschaft, nirgends liest es sich schöner in Büchern oder Magazinen und kein Fortbewegungsmittel ist zeitgemäßer. Von der Romantik paneuroäischer Nachtzugreisen will ich gar nicht reden. Das Jahrzehnt der Bahnen, ich bin voll dafür, auch wenn mindestens die erste Hälfte ein Tal der Tränen ist. Italien (hier muss man anscheinend immer anmerken "ausgerechnet!") ist schon durch.

 
 
22
März
Tand
Der Verlust der tändelnden Poesie durch Corona- und Kriegsnachrichten. Das Sanfte, zweideutig suchende ist zu unwichtig geworden. Wir haben wirklich andere Sorgen. Wie schade! Wie offensichtlich!

 
 
03
Juli
Ali
Und die Zugfahrt an den Stränden entlang bekommt den Ali Mitgutsch Gedächtnispreis: Man sieht im Sekundentakt Menschengruppen, die packen, lachen, schwimmen, ballspielen, sich umziehen, fischen und immer wieder rennt ein nackter Jungspopo durchs Bild.

 
 
08
Februar
Ever Evergreen
John Maynard von Theodor Fontane. Ist das wirklich die beste Ballade, die wir zu bieten haben? Auf jeden Fall augenscheinlich die kanonischste. In jedem Bundesland scheint sie Pflichtprogramm. Nicht die beste Ballada, wohl aber die am besten vermittelbare.

 
 
12
November
Bernie forever
Eine Freundin, die über zwanzig Jahr um Thomas Bernhardt herumgeschlichen ist, schreibt mir folgendes, was ich zur Ergötzung meiner immer kleineren, aber vermutlich auch immer feineren Leserschaft gerne weitergebe:

Ich habe jetzt übrigens endlich etwas von Thomas Bernhardt gelesen.

Weil ich einen Mann traf, der Thonas Bernhardt hieß
Ohne, dass die Eltern jemals etwas von Thomas Bernhardt gehört hätten.

Dieser Thomas Bernhardt hat mir dann ein Buch von Thomas Bernhardt gegeben.

Es gibt in meinem Leben manchmal wirklich so magische Momente, man möchte es kaum glauben.

 
 
10
Oktober
Royal
Man sucht ja immer Hoffnung, Hoffnung das manches auch besser werden kann, nicht nur heiß brennt und schnell verglüht. Ich rede nicht von der ganz großen Hoffnung, dass "nach Trump alles besser wird", nur die Hoffnung, dass Menschen dazulernen, die Welt nicht statisch ist. Joachim Bessing ist hier ein schönes Beispiel. In den Neunzigern kannte er die richtigen Leute und entwickelte die richtigen Konzepte, Tristesse Royale als Krönung, die mich als lebensfrohen Dörfler nachhaltig beeindruckt hat. Doch sein Schreibstil, das bemerkte ich mit 19 Jahren schon, reichte an den der anderen nicht heran. Seit einigen Jahren aber schreibt er den schönsten Weblog, den ich kenne und in seiner Wortwahl ist nichts mehr von der Stolperei der frühen Jahre:
https://www.waahr.de/2016-the-year-punk-broke

 
 
03
März
Widerspruch
Wie oft muss ich noch von völlig kaputten Schriftstellern lesen, die sich angeblich zu Nichts aufraffen können, dann aber einen Text nach dem nächsten ausspucken?

 
 
22
November
Kaputt
Ich höre zum ersten Mal Soloalbum, mag es auch sehr, beim Lesen hat es mich nicht ganz gepackt, aber Hören: Sehr gut.
Auffällig dabei, wie sich die Medienwelt verändert hat. Internet war noch kein ernstes Thema, nur eines für VHS-Kurse. Höhepunkt: Die Schwester spielt Stucki Popsongs am Telefon vor. Wie schön das war, selbst in völliger Einsamkeit spricht er mit seiner Schwester und sie spielt ihm Lieder vor!

 
 
02
November
Liebe auf den ersten Blick?
Wie der fünfjährige Sohn umständlich fragt, wen ich denn am liebsten hätte, von allen, die ich überhaupt nicht kennen würde.
Ich erkläre ihm, dass man niemand lieb haben könne, den man nicht kennt. Er widerspricht und argumentiert mit dem neuen Mädchen in der Kita, dass er sehr lieb habe, mit dem er aber nicht spielen könne, da er zu schüchtern sei. 1:0 für ihn.

 
 
25
September
Vorurteile lesen
Berühmte Autoren sind Künstler darin, Physiognomien und Gesichter so zu beschreiben, dass die Beschreibung mit Bedeutung aufgeladen wird. Braven Bürgern wie mir wurde anerzogen, keine Vorurteile zu haben. Daher sehe ich in Gesichtern nichts - und wenn ich etwas sehe, verbiete ich es mir sofort, weil es ja im wörtlichen Sinne ein Vorurteile wäre.

 
 
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Last update: 21. Dez, 10:14
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