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07
Juni
Deutschtum
Der Deutsche, die Deutschen, Deutschsein oder auch Deutsch-Deutsche Geschichten. Das waren vor 20-30 Jahren häufige Themen im Feuilleton. Heute haben wir "andere Sorgen". Dennoch ein kurzer Schwenk zurück und die Erkenntnis: Der deutsche Tourist, oder besser sein Klischee ist das perfekte Symbol des modernen Deutschen. Diese Mischung aus Weltoffenheit, dem Drang sein Land und seine Grenzen zu verlassen, bei gleichzeitigem verbohrtem Strebertum und daraus folgender totaler Weltverschlossenheit. Das eine bedingt das andere, diese Reisesehnsucht folgt aus den engen Grenzen des Denkens und diese engen Grenzen torpedieren den Sinn der Reise, was den sehnlichen Wunsch nach Reise, Weite und Welt wiederum verstärkt.

[Außer Thesen nichts gewesen]

 
 
28
Mai
Mein Leipzig
Mein Leipzig lob ich mir. Jedes Mal scheint mir mein Lob der Stadt übertrieben. Ich schwärme von der Grandezza, die sie mehr als Berlin versprühe, von der Großzügigkeit ihrer Anlagen, von ihrer innovativen Architektur, von ihren kunstsinningen und freundlichen Bewohnern und glaube mir selbst nicht recht. Dann kehre ich zurück und sehe meine Erzählungen übertroffen. Schaut auf diese Stadt. (Bedauerlicherweise hat der Taxifahrer recht: Das Gehaltsniveau ist erbärmlich niedrig.)

 
 
19
Mai
Blicke
Auch ungewollte Blicke fallen unter das allgemeine Gleichstellungsgesetz, lerne ich:

https://www.businessinsider.de/gruenderszene/karriere-startup/psychologin-ueber-sexuelle-belaestigung-metoo/

Eine Beobachtung zu Blicken: Die Blicke von alten Männern werden öfter als eklig empfunden als die von jungen. Dabei schließe ich qua Introspektion und Erinnerung, dass die Blicke und hinter ihnen liegenden Vorstellungen von Teenagern im Durchschnitt viel lüsterner sind. Bei älteren gibt es oft eher einen etwas zwanghaften, weil in den prägenden Jahren gelernten Blick von eher interesselosem Wohlgefallen. Dieser Blick wird weniger verziehen, die alten sollen sich zu benehmen wissen. Die jungen dürfen über die Strenge schlagen, sie fürchtet man weniger. (Ja, generisches Maskulinum, es gibt Grenzen seiner Ersetzbarkeit)

 
 
05
März
Denken
Die "large language models" wie ChatGPT beeindrucken, der Hype flaut nicht ab, weil er keiner ist sondern echt etwas Fundamentales passiert. Das geht nicht wieder weg, so wie auch Strom oder das Internet nicht wieder weggehen.
Die erste Kritik, die man immer wieder hört, besagt dass die large language models nicht intelligent sein könnten, weil sie prinzipiell immer nur das nächste Wort vorhersagen können. Sie können nur pattern matching. Doch gutes pattern matching ist schon sehr viel. Vielleicht ist pattern matching sogar alles. Vor einigen Jahren lachten einige "data scientists" noch über meine deartige Vermutung. Jetzt sind die KIs auf dem Niveau meiner Doktorarbeit in der Philosophie angekommen. Wirklich originell musste ich dazu nicht sein, nur die Literatur kennen und den Ton treffen.
Der einzige Aspekt, der aktuell zu fehlen scheint ist "thinking slow". "Thinking fast" kann die KI. Aber die Kritik an sich selbst kann sie noch nicht. Microsoft versucht genau das mit dem neuen Bing und scheitert auf interessanteweise. Das neue Bing nennt Quellen, aber die Antworten behaupten öfter völlig zu den Quellen konträre Dinge. "Thinking slow" lässt sich in die large language models derzeit nicht integrieren.
Natürlich ist man dran, aber so richtig "out in the wild" sehe ich da noch nichts. Dauert ein paar Wochen.

 
 
29
November
Gernegroß
Kein ganz Großer ging mit Hans Magnus. Einer, den ich zunächst für einen der ganz alten, staatstragenden Intellektuellen der BRD hielt. Allein der Name: Magnus. So heißt kein junger. Vielleicht war er der Wildeste von den Alten. Einer der wenigstens dabei war, wenn es wild wurde. Ein Punk noch nicht, aber auch kein Angestaubter Bügelfaltenträger. Immerhin kann man jetzt nicht mehr sagen, er sei "jung geblieben", ein gutes hat sein Ende also doch.

 
 
28
November
BeReal
In der noch recht neuen SocialMedia App BeReal zeigt man sich so, wie man ist, ungefiltert, mit Selfi und Umgebung. Socialmedia Experten sind kritisch, so funktioniere die Selbstinszenierung nicht, das Leben sei meistens langweilig. Vielleicht kann man die jungen Leute aber mit Langeweile gut locken. Inszenierung haben sie jedenfalls anderswo genug.

 
 
27
November
Jugend und Wahn
Sich das "innere Kind" bewahren solle man, so raten es nicht nur Kinderbuchautoren. Vom "inneren Jugendlichen" wird hier selten gesprochen, obwohl doch angeblich ein Jugendwahn in der überalterten Gesellschaft herrsche. Früge man die Leute, wollten sie vermutlich doch nicht Kind sein. Süß und naseweis mögen sie sein, die lieben Kleinen, aber Fähigkeit zur Coolness haben selbst die Coolsten unter ihnen nicht. Das haben frühestens die Jugendlichen und zwar eine Coolness die sich noch nicht aus Ermattung speist, sondern aus Ablehnung. Coolnes, die sich immer auch Lebensfreude und Energie speist.
Proof of point: Ein Jugendchor hört jeder bei gleicher akustischer Qualität lieber als ein Rentnerchor. Altersexistisch, ungerecht, aber wahr und vermutlich kein Wahn.

 
 
11
November
Halb voll
Ein Freund beklagt gerne den Niedergang der intellektuellen Kultur in Deutschland. Sicher, mit der Vertreibung oder Ermordung der klügsten und besten die wir hatten, haben die Nationalsozialisten (warum eigentlich immer diese Verniedlichungsform "Nazis"?) einiges zerstört. Vor ihnen war es bestimmt besser. Auch die Wochenzeitung "Die Zeit" war vielleicht mal ein Intellektuellenblatt und scheint mir sehr käsig geworden zu sein.
Allein, ich fühlen einen starken Drang der These vom allgemeinen intellektuellen Niedergang zu widersprechen. Es vergeht immer das Alte, Neues tut sich auf, noch unerkennbar, noch unbewertbar. So will ich es meinen. Mir kommt meine Ansicht abgeklärter, neutraler vor. Sie könnte allerdings genauso borniert sein, wie die pessimistische. Die Pessimisten sehen die Verschlechterungen, die man deutlich wahrnehmen kann. Ich hoffe, dass gute neue Dinge entstehen, weil das "schon immer so war". Diese These ist allerdings sehr dünn belegt. Vermutlich gab es auch Jahrhunderte des Niedergangs und es könnte durchaus sein, das wir mitten in einem stecken. Die Indizien sind ja da, das kann ich nicht abstreiten.

 
 
18
Oktober
Talent und Konformität
Talente müssen herausragen, sonst wäre sie keine. Tyler Cowen, den ich schon seit ca. zwanzig Jahren lese schreibt und spricht jetzt über Talent-Spotting und darüber, wie interessant die Top Leute eines jeden Felds meist sind. Mir gefällt, wie er äußerst akademisch vorsichtig spricht, aber dabei doch wilde Thesen schwingt. Ähnlich wie Drosten, damals. Europa sei weniger egalitär als die USA. Dennoch scheinen "wir Europäer" eine Liebe zur Mittelmäßigkeit zu haben, die Extreme machen uns Angst. "Die Amis" sind gleichzeitg sozial konformistischer, haben aber eine Liebe zu den Extremen. (Thesen: Meine.)



Cowen zum reinhören, unten der Link. Der Interviewpartner macht dabei den streberischen Anfängerfehler, zu fast allem zunächst mit dem Phrasenwort "Interesting!" zu antworten:

https://www.dwarkeshpatel.com/p/tyler-cowen-2#details

 
 
23
September
Ranz und vorbei
Der Charme der Berliner Ranzclubs ist nach der Pandemie wohl endgültig vorbei, schließe ich aus einer einzigen Beobachtung. Karohemdenträger (oder noch schlimmer: Karohemden sind vielleicht jetzt sogar cool!) irren lustlos durch verschimmelte Gebäude, die Kontrolle am Eingang nimmt es sehr genau, lässt aber jeden durch. Verblassende Institutionen die mit viel Staatsgeld durch die Pandemie gerettet wurden, wie sollen sie sich auch über Jahrzehnte ihren wilden Charme erhalten. Das Clubsterben ist zumindest nicht mehr das größte Problem, das Berlin hat. Vielleicht sind es eher die überlebenden Clubs.

 
 
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Last update: 21. Nov, 09:27
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