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03
September
Wochenendtrip
Mann, das war ein Wochende! An gut zwei Tagen fahren wir mehr Kilometer als bei der knapp zweiwöchigen Hochzeitsreise (ja, ich erwähne es immer wieder. Das müssen Sie schon aushalten!).
Freitag Nacht rasen wir mit dem geliehenen Audi TT Cabrio von Hamburg nach Leipzig, das Auto geht ab wie Schmidts Katze/Nachbars Lumpi, aber für die Bedienung seines Infotainmentsystems brauchen wir eine knappe Stunde und auch nachdem wir die nötigen Tricks raushaben, rutschen die Finger über sinnlose Designerchromringe an den Drehknöpfen. Ansonsten ist der TT schnell, aber aalglatt und die perfekte Verkörperung der Nüchternheit. Musik, Freunde und die besuchten Orte sind zum Glück das Gegenteil: Leipzig mit seinem freundlichen, augenzwinkernden Ostcharme und der Portion Hoffnung, die Städte im Osten brauchen um attraktiv zu sein, ist die erste Station. Coccinella wird tatsächlich gefragt, ob sie schon über 16 sei! Als einige erzwungene Tanzschritte in dem Club, der unserer Gastgeberin Arbeit gibt und an dessen Eingang die soeben erwähnte Altersfrage gestellt wurde, keine Tanzlust hervorrufen - unter anderem wohl deshalb, weil dem DJ "Deichkind" als "zu aggro" erscheint und die Tanzfläche von schüchtern abwartenden, aber ziemlich gut aussehenden Mädchenkreise gefüllt ist, geben wir auf und gehen zum Schlafen in die Plattenbauwohnung. Gespräche im Bett und in der Dunkelheit haben immer eine besonders intime Qualität. Nach langem Frühstück inklusivem kurzem Treff eines alten Freundes besichtigen wir den neuen Leipziger City-Tunnel samt Tunnelbohrer Leonie. Coccinella rast nach Lichtenfels, wo uns eine schauerlich intensive Medea Inszenierung erwartet. Am nächsten Tag darf ich zum ersten Mal ein Wii ausprobieren und bin nach fünf Minuten völlig k.o.! Ein geiles Teil - wenn das die Zukunft der Videospiele ist, braucht man sich um die Körpererschlaffung der Jugend keine Sorgen mehr zu machen. Es folgt ein langes Frühstück mit den häufigsten, lautesten und längsten Lachern seit langem. Kannten Sie den Weltrekord im "Klodeckel am Kopf zerschlagen"? Nein? Es interessiert Sie auch nicht? Wir sind ja auch im Internet. Da langweilen mich Absurditäten mittlerweile auch. Erzählen muss man sie sich! Zum Abschied schleudert der Schlackso den Goth-Punk und setzt den Lachern noch eins drauf. Am Sonntag-Nachmittag dann zum krönenden Abschluss: Dem Fest der großen Pyramide. Als wir in Streetz nach dem Weg fragen, sagt man uns, es gebe kein Fest hier. Bald drauf sehen wir die Auskunftsverweigerin im Block der Pyramidengegner wieder. Ansonsten begeistern Kindertänze, Spielmannszugmelodien sowie Schlager und Spiele für die ganze Familie. Weil wir die coolsten sind, machen wir Stimmung. Coccinella schenkt dem Schlagersänger ein paar Blumen von der Wiese, die er brav in der Hand behält. Eine zauberhafte junge Dame singt schüchtern, gut und in sich versunken. Wie können schüchterne Leute auf Bühnen so entrückt sein? Müssen die nicht zitternd unter Hochspannung stehen? Später werden feierlich einige Betonblöcke der großen Pyramide enthüllt und der Bürgermeister spricht vor Kameras mit Gegnern und Projektinitiatoren. Northern Lite versöhnen schließlich mit ihren großen Klängen die beiden Fraktionen. Erschöpft kämpfen wir uns durch die straßenversperrte ostdeutsche Provinz und peitschenden Regen nach Hamburg.
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