letzte Kommentare: / "weil Design keinen... damals / Da sind wir uns... froschfilm / Ich dagegen glaube,... c. fabry


05
Januar
Kritikerlob
Nach meiner Kritikkritik (oh wie ich Rekursion liebe!) mal wieder Kritikerlob.
Ich sah Hitchcocks Vertigo, am letzten Abend im Haus meiner Eltern. Metacritic 100%, ein Klassiker sollte es ein, ich kannte ihn noch nicht. Der Film wirkt etwas hölznern, etwas lame und schlecht gealtert, viel schlechter als der völlig unvergleichbare "Manche mögen's heiß", der ein Jahr später rauskam. Dennoch hatte der Film eine mystische Qualität und hielt mich in seinem Bann.
Die Kritik im New Yorker tut das, was nur exzellente Kritiken können: Sie überzeugt mich entgegen meines spontanen Eindrucks, warum der Film doch ein Meisterwerk ist. Was vielleicht auf den ersten Blick hölzern und unzeitgemäß und sogar innerhalb der Zeit unglaubwürdig wirkt, das Verhältnis von älteren Männern zu jungen Frauen, ist ein Kernthema des Films, die hölzerne Art hat eine glaubwürdige Begründung in der Handlungsebene und auf der Metaebene. Was auf den ersten Blick nach angestaubten 50er Jahren aussieht, ist ausgefuchst und schlau durchdacht. Zum packenden Reißer wird der Film dadurch natürlich nicht, aber was vorher wie eine mystische und unerklärliche Aura wirkte wird durch diese Kritik zur genial erdachten Kunst.

 
 
21
Dezember
DK 2 - Echt jetzt?
Die meistbesungene Band dieser Webpublikation ist Deichkind. Besonders besungen wurden sie hier. Gestern war wieder Konzert und da mir das aktuelle Album sehr gefällt bin ich hin. Doch diesmal scheint mir alles ein großes Missverständis. Deichkind gilt als grandiose Liveband. Doch die stumpfen unterkühlten Rhythmen und das ironische Genöle in Kombination mit Holzhammerpartyzwang funktioniert plötzlich nicht mehr. Vielleicht auch, weil keine Steigerung des Partywahnsinns mehr möglich ist und die Qualität jetzt immer mehr im Text liegt. Den Text kann man leider kaum verstehen, die Max Schmeling Halle ist wohl eher Sport- als Konzertlocation. Vielleicht liegt meine mangelnde Begeisterung aber auch daran, dass technokratische Metamusik ihren Zenit überschritten hat. Ich will wieder Passion, echte Musik, Kunst - und nicht ewiges kluges Unterlaufen und kritisieren. Fast versteige ich mich zu den Thesen von "real und fake culture" - siehe dazu: Ted Gioia. Ja, ich werde älter als ich bin und denke: Der Rock&Roll Circus 1968, das war noch nicht "so ne Musik", das war echt!

 
 
20
Dezember
Friends
Ich habe mich im Jahr 2010 bei Scholz und seinen Freunden beworben. Aus Gründen habe ich jetzt noch einmal die Bewerbung angeschaut. Ich fand mich wohl echt witzig damals, als ich das Anschreiben mit diesem Satz abschloss:

"Aufgrund meiner Faszination für Marken und originelle Werbung, meines Sprachtalents und
meiner Begeisterung für Social Media würde ich ausgesprochen gerne die Blog-Flöte im
Scholz & Friends Orchester spielen."


Gut, dass die Bewerbung direkt in den Müll ging.

 
 
19
Dezember
Sapiens 2
Ich höre Hararis Buch besonders gerne wegen der elegant feinsinningen aber auch etwas drolligen britischen Stimme von Derek Perkins. Es sind aber auch drollige Sätze, die Harari gerne nutzt, wenn man den Punkt längst verstanden hat. Das sind Steilvorlagen für gute britische Vorlesestimmen. Case in point:

"No snail will lift a tentacle for the global snail community, no lion alpha ale makes a bid for becoming the king of all lions, and at the entrance of no beehive can one find the slogan: 'Worker bees of the world - unite!"

 
 
18
Dezember
Kritikkritik
Von einer Buchempfehlung erwarte ich mehr, als dass mir die Presse "Blurbs" vorgelesen werden. Ich erwarte auch mehr als eine Zusammenfassung des Inhalts. Ich erwarte, dass ich von der Liebe und Analyse des Kritikers zum Objekt der Kritik begeistert werde, idealerweise von etwas, das mir vorher nicht bekannt oder sogar fremd war. Ich erwarte ganz schön viel und biete nichts dafür an.

 
 
17
Dezember
The Obvious
Es scheint wirklich einen Markt dafür zu geben, das Offensichtliche zu sagen und als Meinung kundzutun. Was für mich am Mittagstisch gerade noch ok ist, um das Schweigen zu überbrücken, sagen andere in Medien und es ist ihr Beruf das in Medien zu sagen. Sie sagen es sogar nicht immer besonders elegant oder mit klangvoller Stimme. Umso erfreuter bin ich, wenn ich ungewöhnliche Gedanken höre oder lese. Ok, das ist auch ein bisschen obvious, aber hier schreibe ich ja auch gelegentlich nur, um die Stille zu überbrücken.

 
 
16
Dezember
Geschmack
"Meine Frau und ich: Wir hamm ja auch Geschmack!" sagte einst ein Wohnungsbesitzer bei der Führung durch seine Wohnung. Doch was ist Geschmack, wie erreicht man ihn? Vermutlich nur durch permanente Priorisierung von Geschmack. Und die kann man nicht bewusst priorisieren, man muss sie fühlen und wollen, sonst kommt nur geschmäcklerische Prätention dabei heraus.
Bei Film und Literatur will ich gerne Geschmack haben, hierbei Mist zu konsumieren kommt mir vor wie verschwendete Lebenszeit. Aber Kleidung und Essen? Hier wird mein Geschmacksfokus nur punktuell angeschaltet und mehrheitlich übernimmt die Faulheit, was dazu führt, dass ich eben langweilig aussehe und Durchschnittskost verspeise - und dadurch auch die wirklich guten Sachen nicht kenne und nicht wertschätzen kann. Man kann das auch so wollen: Guten Wein wirklich zu lieben wäre mir zu teuer, ich bleibe lieber in meiner Welt, wo mir mittelguter Wein absolut ausreicht. Und da schauen die Kenner natürlich auf mich herab. Also: Guten Geschmack kann man nicht bewusst priorisieren, nämlich da nicht, wo er dem eigenen Geschmack zuwiderläuft. Wenn man das doch tut, wird man zum Poser. Und Poser zu sein ist niemals guter Geschmack.

 
 
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Last update: 16. Jan, 14:12
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